Statement von Knut Unger, MieterInnenverein Witten in Vertretung der „Internationalen Arbeitsgruppe für die Regulierung der Immobilienmärkte und Marktalternativen“ bei der Vollversammlung der Habitat II Konferenz der Vereinten Nationen in Quito, 20. Oktober 2016
Exzellenzen, meine Damen und Herren!
Unsere internationale Arbeitsgruppe wurde als Reaktion auf die Tatsache gegründet, dass es Habitat III unterlassen hat, die Ursachen und desaströsen Folgen der Finanzialisierung der Güter zu diskutieren, die unsere lokalen und planetarischen Lebenswelten ausmachen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Verwandlung von Wohnungen, Land, Wasser, Stadtentwicklung, Infrastruktur usw. in global gehandelte Finanzanlagen zu einer Intensivierung der globalen Krise des Wohnens und der lokalen Lebensbedingungen, der Umwelt, der Weltwirtschaft und der Nationalökonomien, sowie des demokratischen Regierens auf allen Ebenen geführt. Nach den Zusammenbrüchen der Häuser- und Hypothekenblasen 2008 haben haben Millionen ihre Wohnungen verloren, und wir sind nach wie vor weit davon entfernt, die Ursachen und Folgen dieser Zusammenbrüche zu lösen.
Die „New Urban Agenda“ (Anm.: das Abschlussdokument von Habitat III) erwähnt weder die räuberischen Kreditvergabepraktiken noch die undurchsichtigen Hypothekenverbriefungen, die Auslöser der Krise waren. Sie erwähnt nicht das Landgrabbing (Anm.: Anhäufung umfangreichen Landbesitzes zu Lasten der lokalen Verfügung), nicht die transnationalen Konzerne und nicht die globale Finanzindustrie, die im Begriff ist unseren Planeten unter die ökonomische Kontrolle von einem Prozent der Weltbevölkerung zu bringen. Nach all den Katastrophen der letzten Jahrzehnte, nach all den neuen Protestbewegungen und – teilweise – auch den neuen politischen Initiativen auf nationalen und internationalen Ebenen, ist dies ein grundsätzlicher und skandalöser Fehler von Habitat III!
Solange sich Habitat III oder dessen Folgeprozess nicht mit den politisch-ökonomischen Realitäten beschäftigt, die die Probleme und Chancen der räumlichen Entwicklung und ihrer politischen Steuerung bestimmen und eingrenzen, solange sich dieser Prozess sich nicht auf die grundlegende Frage konzentriert, wie bezahlbares Wohnen und soziale Daseinsvorsorge auf eine global gerechte, nachhaltige und sozial kontrollierte Weise finanziert werden können, solange können die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) ebenso wenig erreicht werden, wie die guten Zielbestimmungen, Prinzipien und technischen Instrumente, die wir auch in der New Urban Agenda finden können.
Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und die Menschenrechte in unseren Städten und Siedlungen zu verwirklichen, ist es erforderlich, eine andere Agenda zu entwickeln, eine von den Menschenrechten angetriebene Agenda für die Wiederherstellung der sozialen Regierbarkeit der entbetteten Immobilienmärkte und der Finanzindustrien, die sie bestimmen.
Wir rufen die globale Gemeinschaft und die Entscheidungsträger auf allen Ebenen auf:
- Die Menschenrechtsverpflichtungen müssen in konkrete und durchsetzbare Rechte auf bezahlbares Wohnen, Land, Wasser, Abwasserversorgung, Gesundheit, Nahrung, Mobilität, Bildung und alle anderen erforderlichen lokalen Dienstleistungen übersetzt werden!
- In allen Ländern und auf allen Ebenen muss eine soziale Kontrolle des Grundbesitzes und der Bodennutzung eingeführt werden, die demokratisch, effizient und gegenüber sozialen Bedürfnissen nicht diskriminierend ist!
- Es müssen demokratische und nachhaltige Alternativen zu den Marktregimen in der Bodenwirtschaft und im Wohnungswesen aufgebaut werden!
- Die Immobilienspekulation muss ebenso beendet werden, wie die Dominanz privater Interessen in der Politik und die autoritäre Bestimmung über unsere Räume und Lebensbedinungen!
- Es müssen neue nationale und internationale Mechanismen für die öffentlich und sozial kontrollierte Finanzierung bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnraums für alle entwickelt werden!
Wir glauben, dass es möglich ist, die Menschenrechte für alle zu verwirklichen, wenn die Gesellschaften auf kompetente und effiziente Weise in die Märkte intervenieren.
Ja, wir können das schaffen! Si se puede !